Arbeitsrecht der DDR

Arbeitsrechtsparteien im Sozialismus

Begrifflichkeiten

Bildquelle: Gelbe Seiten

 

Die Begriffe „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ haben sich in der BRD, bzw. Westberlin eingebürgert. Doch sind sie irreführend und nicht korrekt. Denn der „Arbeitnehmer“ erbringt die Arbeitsleistung, also gibt die Arbeit, die der Betrieb entgegennimmt. Die in der BRD, bzw. Westberlin eingebürgerten Begriffe suggerieren den „gnädigen Herren“, die „gnädige Frau“ und die Aktiengesellschaft usw., die Arbeit bzw. einen Arbeitsplatz zu Verfügung stellt,  um die Arbeitenden in Lohn und Brot zu bringen. So im umgekehrten Sinne der irreführende Begriff „Arbeitnehmer“.

 

Folgerichtig war in der DDR nicht von „Arbeitnehmern“ und Arbeitgebern“ die Rede.  Man sprach von Werktätigen und Betrieben. Das schlug sich auch entsprechend im Arbeitsrecht der DDR nieder.

Die Betriebe

Bildquelle: Rechtsanwaltskanzlei Franz/Frankfurt am Main

 

Der Großteil der Werktätigen war in der DDR in staatlich geleiteten, meist volkseigenen Betrieben und Institutionen angestellt.

 

Der Anteil der privaten Betriebe  war in der Minderheit. Ab den 1970ern Jahren gab es nur noch einzelne, meist handwerkliche und Handel treibende Privatbetriebe, die laut Gesetz nur bis zu 10 Beschäftigten haben durften.

 

Von Bedeutung waren die Genossenschaften.  In der DDR waren sie Teil der sozialistischen Gesellschaftsordnung. Im Kapitalismus gibt es aber auch Genossenschaften, so z.B.  in der alten und der neuen, nun vergrößerten BRD. In der BRD kennt man Genossenschaften als Wohnungsbaugesellschaften und in der Landwirtschaft.

 

In der DDR gab es folgende Genossenschaften:

 

  • Bäuerliche Handelsgenossenschaft (BHG)
  • Konsumgenossenschaften
  • Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften (AWG)
  • und vor allem die Produktionsgenossenschaften:
  • Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH)
  • Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG)
  • Gärtnerische Produktionsgenossenschaften (GPG)
  • Fischereiproduktionsgenossenschaften der Hochsee- und Küstenfischer (FPG)
  • Produktionsgenossenschaften der Binnenfischer (PGB)
  • Produktionsgenossenschaften werktätiger Pelztierzüchter (PwP)
  • Produktionsgenossenschaften werktätiger Zierfischzüchter (PwZ)
  • In der Landwirtschaft bestanden neben den LPG auch Volkseigene Güter (VEG).

 

 

Die Werktätigen

Bildquelle:

 Von Bundesarchiv, Bild 183-R1001-0019 / Rehfeld, Katja / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, Bild ist entsprechend verlinkt

 

Zum Geltungsbereich des Arbeitsgesetzbuches(AGB) gehörten:

 

  • Arbeiter und Angestellte, einschließlich Heimarbeiter und Lehrlinge (Werktätige)
  • Zivilbeschäftigte im Bereich der bewaffneten Organe
  • Werktätige, die im Auftrag ihres Betriebes oder zuständigen Staatsorgans im Ausland tätig sind
  • Rehabilitanden
  • Absolventen von Hoch- und Fachschulen
  • Schüler und Studenten, die während der Ferien arbeiten

 

Gesetzliche Grundlagen

Bildquelle: Arbeits-ABC.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Grundlegende Bestimmungen zu arbeitsrechtlichen Fragen enthielten:

 

  • Artikel 24 der Verfassung der DDR, der das Recht auf Arbeit und auf einen Arbeitsplatz formulierte
  • Das Arbeitsgesetzbuch(AGB) enthielt alle wesentlichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen für alle Werktätigen und Betriebe in verständlicher Form
  • Verordnung über die Pflichten, die Rechte und Verantwortlichkeit der Mitarbeiter in den Staatsorganen(heute würde man sagen Beamte u. a.  Mitarbeiter/innen im Staatsdienst, in der DDR gab es keine Beamten)
  • Mutterschutzgesetz
  • Die Arbeitsschutzverordnung(ASAO), Arbeitsschutz-  und Brandschutzanordnungen(ABAO), etwa vergleichbar den Unfallverhütungsvorschriften der heutigen gesetzlichen Unfallversicherung
  • Technische Normen, Gütevorschriften und Lieferbedingungen(TGL), Pedant der DIN-Norm
  • Der Rahmenkollektivvertrag(RKV) mit dem FDGB(entspricht etwa dem Manteltarifvertrag in der BRD)
  • Betriebskollektivverträge(BKV)(in etwa vergleichbar mit dem Tarifvertrag in der BRD)
  • Neurerverordnung(hier wurde das Wesen der Verbesserungsvorschläge geregelt, während in der BRD Menschen als Folge von Verbesserungsvorschlägen ihren Arbeitsplatz verlieren können, gab es diese Folge in der DDR nicht)
  • Anordnung über die arbeitsrechtliche Stellung in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeiter/innen und Angestellten vom 18 Januar 1958 (im Vergleich dazu gelten Betriebe und Institutionen kirchlicher Träger als Tendenzbetriebe, so gelten da bis heute besondere rechtliche Regelungen)
  • Es gab noch weitere Regelungen, die im Arbeitsgesetzbuch geregelt waren. Man kann hier nicht alle aufzählen. Ein Beispiel sind die Sozialversicherungen.

 

 

Beginn und Ende von Arbeitsrechtsverhältnissen

Bildquelle: Rechtsanwaltskanzlei Sturm/München

 

Begründet wurden Arbeitsrechtsverhältnisse durch Arbeits- oder Lehrvertrag, Berufung oder Wahl.

War die Auflösung eines Arbeitsrechtsverhältnisses notwendig, sollte die im gegenseitigen Einvernehmen durch Aufhebungs- oder Überleitungsvertrag erfolgen. Des Weiteren gab es die fristgemäße Kündigung und die fristlose Entlassung.

Bei Kündigung und Entlassung sah das AGB zwingend eine gewerkschaftliche Zustimmung vor. Verweigerte die zuständige betriebliche Gewerkschaftsleitung (BGL) die Zustimmung, entschied auf Antrag des Betriebes die übergeordnete Gewerkschaftsleitung bzw. der übergeordnete Vorstand endgültig.

Besonderen Kündigungsschutz, Einschränkungen der Kündbarkeit oder zusätzliche Zustimmungen zu Kündigungen und Entlassungen wurden unter anderen formuliert für:

 

  • Kämpfer gegen den Faschismus und Verfolgte des Faschismus
  • Schwangere und Mütter kleiner Kinder
  • Werktätige im Wehrdienst oder Reservistenwehrdienst
  • Werktätige bei Arbeitsunfähigkeit, während Quarantäne und während des Erholungsurlaubs
  • Schwerbehinderte und bestimmte Gruppen chronisch Kranker
  • Werktätigen mit 5 oder weniger Jahren bis zum Renteneintritt
  • Jugendliche unter 18 Jahren
  • Facharbeitern bis zum Ende des ersten Jahres nach Lehrabschluss

 

 

Werktätige hatten des Weiteren das Recht, gegen Änderungsverträge oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Einspruch einzulegen.

 

siehe Auszug aus dem AGB(Arbeitsgesetzbuch der DDR) zum Thema Kündigung

 

Über das Arbeitsverhältnis hinausgehende Tätigkeiten

Bildquelle: Gelbe Seiten

 

Der Rahmenkollektivvertrag(entspricht in etwa dem Manteltarifvertrag in der BRD) und die Betriebskollektivverträge(entspricht in etwa den Tarifverträgen in der BRD) regelten die Einkommensstruktur  in der Volkswirtschaft der DDR. Leistungen darüber hinaus waren formell nicht forderbar. Doch man versuchte den Werktätigen politisches und gesellschaftliches Bewusstsein zu vermitteln. Denn im Gegensatz zum kapitalistischen System arbeiteten sie nicht für irgendeinen Kapitalisten und eine anonyme Aktiengesellschaft u. ä. , sondern für die sozialistische Gesellschaft. Da wurde aber von Vielen als gesellschaftlichen und moralischen Druck empfunden.  In der Aktivistenbewegung kam es zu Effizienzsteigerungen in der Produktion, die nur durch motivierte Werktätige möglich wurden. Der erste offiziell gefeierte Aktivist war Adolf Hennecke.   Adolf Hennecke wurde und wird oft mit den Leuten verwechselt, die im kapitalistischen System die Akkorde kaputt machen und als Arbeiterverräter gelten. Die Geschichtsschreibung der Sieger der Geschichte tut dies auch. Im Sozialismus waren es ganz andere Rahmenbedingungen und Ziele, welche die Aktivisten zu hohen Leistungen anspornten.

Künstler, Ärzte und andere Gruppen

Es gab Freischaffende und Angestellte in speziellen Berufen, z. B. Künstler, Ärzte, Wissenschaftler, Journalisten, Schriftsteller usw.

Arbeitsverhältnisse der Freischaffenden wurden nicht im AGB geregelt. Sie unterlagen Einzelverträgen.

Angestellte unterlagen dem AGB. Für Sie galten aber Besonderheiten, z. B. im Par. 178(3) ermöglichte das AGB für diese Berufsgruppen besondere Regelungen bezüglich der Überstundenarbeit. Des Weiteren enthielten die verschiedenen Betriebskollektivverträge (BKV) eigene Regelungen.

Gesellschaftliche und ehrenamtliche Tätigkeiten

Bildquelle S + K

 

In der DDR wurde großen Wert gelegt auf gesellschaftliche und ehrenamtliche Aktivitäten. Anders, als im Kapitalismus, wie z.B. in der BRD(damals und heute), wo mit ehrenamtlicher Arbeit Lücken gefüllt werden, die zwar gesellschaftlich notwendig, aber nicht finanziert werden können, legte man im der sozialistischen Gesellschaftsordnung, wie z.B. in der DDR Wert darauf mit ehrenamtlicher Tätigkeit sich in die Gesellschaft einzubringen und dem Anspruch zu genügen, dass sinnvolle und der Allgemeinheit dienende Tätigkeit ein inneres Anliegen der Menschen sein müsse und nicht nur gegen Be- oder Entlohnung erbracht wird. Dennoch waren solche Tätigkeiten nicht vom Arbeitsgesetzbuch getrennt. Sie waren  sogar vom AGB und nachfolgenden Bestimmungen geschützt. 

 

Im §182 des AGB war die Freistellung von der Arbeit zur Wahrnehmung staatlicher und gesellschaftlicher Funktionen geregelt. Darin war unter anderem festgelegt, dass Werktätige zur Mitwirkung an der Vorbereitung und Durchführung von gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Veranstaltungen entsprechend Rechtsvorschriften freizustellen waren, sofern diese Tätigkeit nicht außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt werden konnte. Das kennt man in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung nicht. Ehrenamtliche Tätigkeit muss stets in der Freizeit ausgeführt werden und ist vom Beruf getrennt. Selbst wo diese Trennung nicht möglich ist, wie bei den Feuerwehrleuten, gibt es in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung Probleme, wenn diese ihren Arbeitsplatz wegen eines Einsatzes verlassen müssen.

 

Obwohl es bei den ehrenamtlichen Tätigkeiten auch in der DDR nicht um Arbeitsverhältnisse im engeren Sinne ging, erstreckte sich ein Teil  des im 10. Kapitel des AGB(Arbeitsgesetzbuches) geregelten Arbeits- und Gesundheitsschutzes auch auf sie.  Z. B. legte §220(3) des AGB fest, dass Unfälle bei organisierten gesellschaftlichen, kulturellen oder sportlichen Tätigkeiten Arbeitsunfällen gleichgestellt sind. Solche Regelungen kennt man im Kapitalismus nicht. Z.B. in der BRD müssen die Leute über die Vereine, für die sie tätig sind, versichert werden oder die Unfallkasse des jeweiligen Bundeslandes springt ein.

Arbeitsrechtsstreitigkeiten

Bildquelle: Arbeits-ABC.de

 

In der sozialistischen Gesellschaft wurden folgende Streitigkeiten aus folgenden Gründen einkalkuliert:

 

  • Verletzung der Gesetzlichkeit
  • Unvollständige oder unklare rechtliche Regelungen
  • Gesetzesunkenntnis

 

 

Organe(Institutionen) zur Entscheidung über Arbeitsrechtsstreitigkeiten zwischen Betrieben und Werktätigen waren:

 

  • die Konfliktkommissionen (man kann auch sagen Schiedskommission, deren Mitglieder waren Laien)
  • die Kammern für Arbeitsrecht der Kreisgerichte
  • die Senate für Arbeitsrecht der Bezirksgerichte
  • der Senat für Arbeitsrecht des Obersten Gerichts der DDR

 

Die früher vorhandenen, selbständigen Arbeitsgerichte wurden 1963 in die Kreis- und Bezirksgerichte eingegliedert.

 

Ausnahmeregelungen gab es, wenn es sich um Personen handelte, deren Arbeitsplatz sicherheitsrelevant war und ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Staat vonnöten war. Es wird so getan, als wäre das in der DDR was Besonderes gewesen, man das Arbeitsrecht außer Kraft gesetzt und willkürlich gehandelt hätte. Dabei ist das in jedem Staat der Welt so, wenn bestimmte sicherheitsrelevante Posten das Bekenntnis zu Staat und System voraussetzen.

 

Im Jahr 1988 wurden z. B. 15.137 Arbeitsrechtsverfahren vor ordentlichen Gerichten beantragt ,hinzu kam noch eine etwa vier Mal so große Anzahl von den Gesellschaftlichen Gerichten(Laiengerichte Schiedskommissionen), wovon 14.937 abgeschlossen wurden. Nach Streitgegenstand waren es:

 

  • 1.420 Beendigungen des Arbeitsrechtsverhältnisses;
  • 3.679 Lohn- oder Vergütungsforderungen einschl. Rückforderungen;
  • 4.517 materielle Verantwortlichkeit des Werktätigen oder des Betriebes (Schadensersatzansprüche);
  • 5.321 sonstige Arbeitsrechtsstreitigkeiten

 

 

 

Änderungen nach 1989

Während und nach der Konterrevolution im Herbst 1989 erfolgte ein grundlegender Wechsel im politischen Leben der DDR.  Die am 18. März 1989 gewählte letzte Volkskammer (Konstituierung am 05. April 1990)war das Übergangsparlament  in der Endphase der DDR. Es wurden in dieser Zeit Angleichungen an die Gesetzlichkeit und die kapitalistische Gesellschaft der BRD vorgenommen. Folglich führte das auch zu Änderungen im Sozial- und Arbeitsrecht. Im Taumel der Konterrevolution ist dies untergegangen und konnte unbemerkt vonstatten gehen.  

 

Mit der Umschreibung „ideologische Entrümpelung“ wurde das Arbeitsgesetzbuch abgespeckt und mit dem Vollzug der Annexion der DDR durch die BRD schließlich vollständig abgeschafft.

 

 

 

Bild auf Facebook gefunden. Siehe "Zwischenbemerkung" in DIE TROMMLER-ARCHIV.

 

Entnommen aus Wikipedia, bearbeitet von Petra Reichel    

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